Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Frau Bürgermeister Schulze Hessing,
sehr geehrter Herr Niessing,
sehr geehrte Mitarbeitenden der Verwaltung,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger hier und an den Bildschirmen,
gemäß dem Motto des „Dinner for One“ stehe ich heute wieder hier:
The same procedere as last year and the same procedere as every year.
Politisch übersetzt bedeutet das:
Jedes Jahr Ende Dezember sitzen wir hier und lauschen den Haushaltsreden der einzelnen Parteien.
Jedes Jahr wird darüber berichtet, wie gut oder wie schlecht es der Stadt Borken geht und wie stark die Politik des Landes und des Bundes dafür verantwortlich sind.
Was besonders schlecht läuft, wird hervorgehoben, das, was gut läuft wird erwähnt.
Unsere Bürgermeisterin berichtet jedes Jahr von Familie Kuhm, die mittlerweile auf 5 Personen plus Großeltern und Hund gewachsen und in Borken angekommen ist; integriert in Arbeit, Schule und Ehrenamt wohnt sie in einem Einfamilienhaus in einer unserer Neubausiedlungen.
Trotz kleiner Hindernisse und finanzieller Herausforderungen fühlt sich Familie Kuhm dennoch richtig wohl in Borken – in unserer liebens- und lebenswerten Stadt.
Ich möchte Ihnen einmal die Geschichte von Familie Khader erzählen:
Vater, Mutter und zwei Kinder sind vor drei Jahren vor dem Krieg in Syrien geflüchtet. Adil (was Gerechtigkeit bedeutet) und Mayla (die Hoffnung) wünschen sich für ihre Kinder nichts mehr, als dass sie wohlbehütet, ohne Angst und grausame Bilder aufwachsen dürfen. Eine lange, gefährliche und anstrengende Flucht liegt hinter ihnen. Geprägt von den grausamen Bildern, welche WIR nur in den Medien zu Gesicht bekommen – Bilder, die sie niemals vergessen werden. Hier in Deutschland angekommen, konnten sie sich nicht aussuchen, welche Stadt ihre neue oder vorübergehende Heimat wird.
Sie hatten Glück; ihr Bus brachte sie nach Borken, hier wurden sie von freundlichen und kompetenten Mitarbeitern der Stadt begrüßt. Die dezentrale Unterbringung in einem kleinen Zimmer mitten in der Borkener Innenstadt gibt ihnen die Möglichkeit, ein Teil der Gesellschaft zu werden. Sie nehmen diesen „für uns unvorstellbaren“ Luxus dankend und mit Ehrfurcht an.
Adil und Mayla bekommen relativ schnell die Möglichkeit Deutsch zu lernen, weil wir hier in Borken es uns zur Aufgabe gemacht haben, den Menschen Perspektiven und den schnellen Einstieg in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Damit dies gut funktioniert, werden ihre Kinder Yara (was die Mutige) und Zaid (was der Glückliche bedeutet) relativ zeitnah in Kindergarten und Schule integriert. Die Kinder haben schnell Freunde gefunden, das bis dahin Erlebte tritt mehr und mehr, wenn auch langsam, in den Hintergrund.
Vater Abil ist eigentlich gelernter Schlosser, darf aber in seinem Beruf hier aktuell nicht arbeiten, so unterstützt er den Hausmeister bei den Arbeiten in der Asylbewerberunterkunft. Seine Frau Mayla nutzt die regelmäßigen Treffen im Haus der Begegnung. Diese helfen und stärken ihr Selbstbewusstsein. Dort unterstützt sie mittlerweile die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen, um mit Neuankömmlingen in ein Gespräch zu kommen, was wiederum deren Start erleichtert. Eine Win-Win Situation.
Die Kosten im Bereich Asylbewerber sind stabil – nichtsdestotrotz wird dieses Thema extrem hoch gehängt und hinterlässt ein schlechtes Bild in vielen Köpfen – vergessen werden die vielen Menschen, die sich gut und beispielhaft in Deutschland und auch hier in Borken integrieren.
Ohne Menschen aus anderen Ländern wäre Deutschland nichts – nicht in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.
Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren geprägt von den sogenannten Gastarbeitern z. B. aus der Türkei, Portugal oder Italien und ihren Familien. Viele sind bis heute geblieben und ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft.
Stellen Sie sich doch einfach einmal vor, all diese Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland wären nicht hier – egal, aus welchem Grund sie den Weg zu uns gefunden haben.
Wir wären in vielen Bereichen so viel ärmer, das gilt insbesondere für unsere Zukunft.
Man denke nur an die Fachkräfte, die wir verlieren, wenn die sogenannte Baby-Boomer-Generation in den Ruhestand geht.
Das sollten wir nicht vergessen!
Uns allen ist bewusst, dass dies alles trotzdem mit Einschnitten, Veränderungen und Herausforderungen verbunden ist. Bessere Lösungen müssen gefunden und umgesetzt werden.
Das ist für alle schwer und fordert uns viel ab. Aber die Zukunft wird uns zeigen, dass sich die Mühe lohnt.
Zum Glück leben wir in Borken, wo wir das Miteinander leben und das Anderssein akzeptieren, tolerieren und begrüßen.
Dies konnten wir Anfang des Jahres bei der Demonstration für Demokratie und Zusammenhalt live miterleben.
Knapp 5000 Menschen haben hier gezeigt, dass wir in Borken mehrheitlich für demokratische Werte und gegen eine alles mies machende Propaganda stehen. Es haben und werden sich daraus weitere Veranstaltungen entwickeln – und das ist ein starkes Zeichen.
Dass, auch bedingt durch Kriege und Inflation, das Leben mehr Geld kostet, erleben wir alle täglich, und das spiegelt natürlich auch der Haushalt 2025 wider. Diese negative Veränderung hatte sich bereits in den vergangenen Jahren angedeutet.
Unser Lebensstandard in Borken ist aktuell gegenüber anderen Kommunen in NRW noch als sehr gut zu bezeichnen, wenn man sieht, was wir uns alles „leisten“ konnten und können.
Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben vielen Projekten und Umsetzungen zugestimmt, denn wir denken, dass das für uns und für Borken zukunftsgerichtet ist.
Das sind, um nur ein paar zu nennen:
- der Neubau der Feuer-und Rettungswache (was eine Pflichtaufgabe ist aber den Haushalt außergewöhnlich stark belastet),
- die Erweiterung der Jodokus-Nünning-Gesamtschule und der damit verbundene Oberstufenausbau,
- der Oberstufenanbau an der Julia-Koppers-Gesamtschule, sowie die Aufstockung neuer Klassenräume,
- die Modernisierung der Remigius Grundschule,
- die gerade beschlossen Erweiterung der Cordula Grundschule,
- die Modernisierungen im Bereich des Vennehofes,
- der Radwegeausbau und die Umsetzung des Mobilitätskonzeptes,
- die Kunstrasenplätze und Infrastruktur der Sportvereine, damit sie sich konkurrenzfähig und modern weiterentwickeln können.
Dies alles sind Investitionen in unsere Stadt – in die Zukunft unserer Kinder und Enkel, in die kommenden Generationen.
Was wir jetzt ausbauen, modernisieren und investieren belastet natürlich unsere nächsten Haushalte, senkt aber den möglichen Investitions- und Modernisierungsrückstau in den folgenden Jahren, und führt dadurch später zu Minderausgaben in diesen Bereichen.
Wir sind aber auch froh, dass einige Pläne durch unser Zutun nicht umgesetzt werden, wie z. B. dass die Pläne zum Ausbau der 3EcksFläche gestoppt wurden.
Kritisch begleiten wir weiterhin den Ausbau von BO 10 Wasserstiege.
Die Investitionen in z. B. energetische Verbesserungen an Schulen und erneuerbare Energien, wie der Photovoltaik-Ausbau auf öffentlichen Gebäuden, senken die Energiekosten im städtischen Haushalt in den nächsten Jahren merklich.
Bei der Kostensteigerung im Sozialbereich betont Frau Bürgermeisterin in ihrer HH-Rede 2025 besonders die im Zusammenhang der stufenweisen Umsetzung der Reform der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII so stark gestiegenen Kosten im Bereich Inklusion von Kindern: Dort vor allem durch den „Anspruch auf Inklusionslotsen zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung“ um ca. 17 %.
Ein leider jahrelang vernachlässigter Bereich schlägt aktuell natürlich umso mehr zu Buche, da immer mehr Eltern den Mut haben, die Inklusion für ihre Kinder einzufordern.
Das begrüßen wir sehr und hoffen, dass diese Familien so unterstützt und begleitet werden, dass Inklusion und Teilhabe wirklich so gut gelingt wie von der UN-Menschenrechtskommission schon seit Jahren per Gesetz verankert und gefordert.
Auch die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt kostet Geld. Aber wo ist die Gleichberechtigung der Menschen, die unsere Unterstützung brauchen – gut untergebracht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass es gut ist, dass es diese Einrichtungen gibt), aber viele Menschen sind dort fehl am Platz und könnten auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen, wenn ihnen die Möglichkeit und die Unterstützung gegeben wird.
Das entlastet auf Dauer finanziell nicht nur den sozialen Bereich, sondern fördert auch das menschliche Miteinander.
Gehen Sie alle doch einmal in sich: kennen oder sehen Sie Menschen mit Behinderung in ihrem Alltag, Arbeits- oder Wohnumfeld? Andere Länder sind da so viel weiter als wir.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
aktuell ist noch nicht abzusehen, wie sich die kommenden Monate und Jahre entwickeln werden:
Fast überall auf der Welt toben Kriege, neben dem seit Jahren umkämpften ukrainischen Staat ist auch der Nahe Osten zu einem Pulverfass ohne absehbares Ende geworden.
Da scheint das Aufatmen durch den vor einer Woche stattgefundenen Sturz des Machthabers Assad in Syrien nur von kurzer Dauer. Wo wird dort die Reise hingehen?
Schon werden die extremen Populisten laut, alle Syrer schleunigst abzuschieben aus Deutschland und Europa.
Und was können wir von Amerika erwarten? Welche Auswirkungen wird die neue Regierung auf unsere Wirtschaft aber auch auf internationale Konflikte hervorrufen?
Alles das macht auch etwas mit uns als Menschen und Bürgerinnen und Bürger in Borken.
Mit Umsicht und Weitsicht können wir im demokratischen Miteinander weiterhin hier vor Ort sehr gut bestehen.
Das zeigt sich aktuell auch in den außergewöhnlichen Vorbereitungen auf die 800-Jahr-Feier im kommenden Jahr. Darauf dürfen wir uns alle gemeinsam freuen, denn auch Feste und Feiern gehören zu einer starken Kommune.
Sie alle warten sicher noch auf die Antwort, wie wir uns bei der Abstimmung zum Haushalt 2025 verhalten.
Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden in diesem Jahr dem Haushalt zustimmen.
Zum Schluss meiner Rede möchte ich mich bei den Mitarbeitenden der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit bedanken.
Ich wünsche Ihnen allen nun frohe und vor allem friedliche Weihnachten und ein gutes Jahr 2025
Maja Becker
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